EU-Ausblick: Neue Kommission muss bei Regulierung des TK-Markts Augenmaß wahren
Nach der Europawahl werden die Karten in Brüssel neu gemischt. Bisher stehen die Kommissare für die einzelnen Ressorts noch nicht fest. Zwar hat Frankreich erneut Thierry Breton als Kandidaten für ein Amt nominiert – ob er allerdings weiterhin für die Digitalthemen zuständig sein wird, ist offen. Die neue Kommission soll bis Oktober ihre Arbeit aufnehmen.
Die – alte und neue – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in einer Rede bereits umrissen, welche Ziele sie für die neue Legislaturperiode hat. Zentrales Thema ist für sie, dass die EU wettbewerbsfähig ist und bleibt, um sich im internationalen Vergleich nicht abhängig von Dritten zu machen.
In diese Richtung wiesen bereits die Vorschläge der letzten Kommission in ihrem Weißbuch zur Zukunft der Konnektivität, dass die Vollendung des digitalen Binnenmarktes mithilfe europäischer Champions skizzierte. Zur Erreichung des Ausbauziels der EU – flächendeckende Glasfaseranschlüsse bis 2030 – schlug die Kommission im Weißbuch vor, die Regulierung von TK-Netzen zu vereinfachen und stärker zu harmonisieren.
Wir sehen diese Tendenzen kritisch. Fehlerhaft ist insbesondere die Annahme, es gebe im TK-Markt keine national marktbeherrschenden Unternehmen mehr, die die Abgrenzung nationaler Märkte erforderten.
Vielmehr ist die Telekom in Deutschland weiterhin das unbestritten marktbeherrschende Unternehmen. Zum Schutz des Wettbewerbs ist daher auch weiterhin eine sog. SMP-Regulierung erforderlich, die besondere Pflichten für Unternehmen mit erheblicher Marktmacht vorsieht. Die im Weißbuch vorgeschlagene Regulierung aller TK-Anbieter unabhängig von ihrer Marktmacht im Wege einer sog. symmetrischen Regulierung könnte die v. a. in Deutschland weiterhin bestehenden Wettbewerbsdefizite nicht beseitigen. Sie wäre schädlich für die Wettbewerbssituation im hiesigen TK-Markt und würde im Ergebnis den Glasfaserausbau bremsen, der zu einem großen Teil von den Wettbewerbern der Telekom geleistet wird.
Ob und wenn ja, welche Schritte auf das Weißbuch folgen, ist offen. Klar ist allerdings: Der Europäische Kodex für die Elektronische Kommunikation (EKEK) steht kurz vor der Evaluierung. Er schafft derzeit den Rahmen für die europäische TK-Regulierung. Zu hören war bereits die Idee, ihn durch einen „Digital Networks Act (DNA)“ abzulösen – eine Verordnung und damit ein weiteres unmittelbar geltendes EU-Gesetz in der Reihe von DMA, DSA und GIA. Ob eine solche extreme Vereinheitlichung der Regulierung in Europa der unterschiedlichen Wettbewerbssituation in den Mitgliedstaaten gerecht wird, ist äußerst fraglich.
Die ANGA blickt daher gespannt nach Brüssel und appelliert an die neue Kommission, bei den anstehenden breitbandpolitischen Initiativen das Augenmaß zu wahren.