Ein neues Weißbuch als Schlüssel für die Zukunft der digitalen Infrastrukturen in Europa?
Die scheidende EU-Kommission – allen voran Digital-Kommissar Thierry Breton – hat zum Ende ihrer Amtszeit ein Weißbuch zur Zukunft digitaler Infrastrukturen vorgelegt. Es heizt die Diskussionen über die Zukunft der TK-Regulierung neu an.
Das im Februar vorgestellte Weißbuch untersucht die Marktentwicklung in Europa und die Herausforderungen beim weiteren Glasfaserausbau. Es stellt dabei stark auf die pan-europäische Idee und die Vollendung des digitalen Binnenmarkts ab. Zur Erreichung des Ausbauziels der EU – flächendeckende Glasfaseranschlüsse bis 2030 – schlägt die Kommission vor, die Regulierung von TK-Netzen zu vereinfachen und stärker zu harmonisieren.
Dabei legt die Kommission fehlerhafte Annahmen zugrunde. Ihre Ansätze schießen deshalb über das Ziel hinaus. Die Kommission nimmt fälschlicherweise an, es gebe keine national marktbeherrschenden Unternehmen mehr, die nationale Märkte erforderten. Deshalb solle es keine Vorfestlegung grundsätzlich regulierungsbedürftiger Märkte auf EU-Ebene mehr geben. Vielmehr solle die sog. SMP-Regulierung (ausgehend von einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens) künftig nur noch im Ausnahmefall greifen und vom Ansatz der symmetrischen Regulierung ersetzt werden.
Für Deutschland wäre das fatal: Die Telekom ist weiterhin das unbestritten marktbeherrschende Unternehmen in Deutschland. Ihre De-Regulierung wäre unbegründet und schädlich für den hiesigen TK-Markt. Im Ergebnis würde das den Glasfaserausbau bremsen. Unterfielen alle gleichermaßen einer symmetrischen Regulierung wäre das eine enorme Zusatzbelastung für bisher – aus gutem Grund – unregulierte Netzbetreiber bei gleichzeitiger Entlastung der Telekom. Es droht damit ein weiteres Erstarken der bereits marktmächtigen Telekom.
Zu begrüßen ist die Feststellung der Kommission, dass der Wechsel von Kupfer- auf Glasfasernetze im Interesse des gesamten Markts vorbereitet und gestaltet werden muss und dass man die Gestaltung dieses wichtigen Prozesses nicht den marktmächtigen Unternehmen allein überlassen darf. Dass dabei allerdings fixe Abschaltdaten für die Kupfer-Netze der „Incumbents“ das Mittel der Wahl sind, ist zu bezweifeln. Wichtiger ist, den Wettberbern eine echte Einflussmöglichkeit auf den Umschaltprozess einzuräumen. Verhindert werden muss, dass die ehemaligen Monopolunternehmen ihre teils weiterhin erhebliche Marktmacht von der Kupfer- in die Glasfaserwelt übertragen.
In die richtige Richtung gehen auch die Überlegungen der Kommission zur Schaffung eines regulatorischen und wettbewerblichen Level-Playing-Fields zwischen EU-basierten Netzbetreibern und internationalen großen Online-Plattformen. Die ANGA fordert seit langem, dass vergleichbare Dienste – etwa Messenger Dienste – gleichermaßen reguliert werden müssen.
Inwieweit große Online-Plattformen künftig zur Finanzierung der digitalen Netze heranzuziehen sind, lässt die Kommission offen. Sie geht davon aus, dass der Transit- und Peering Markt zwischen den Beteiligten derzeit gut funktioniere. Sollten in der Zukunft Schwierigkeiten beim Abschluss kommerzieller Vereinbarungen auftreten, könne aber über die Einführung eines Streitschlichtungsmechanismus nachgedacht werden. Aus unserer Sicht geht das nicht weit genug: Wir fordern eine deutlich stärkere Beteiligung großer Online-Plattformen an der Netzfinanzierung. Damit auch kleinere Netzbetreiber auf Augenhöhe mit den Tech-Giganten verhandeln können, brauchen wir rechtliche Leitplanken, die greifen, bevor etwaige Verhandlungen gescheitert sind.
Die Konsultation zum Weißbuch der Kommission läuft noch bis Ende Juni 2024. Hieraus abgeleitete Maßnahmen wird die derzeitige Kommission nicht mehr vorschlagen. Es bleibt dann der neuen EU-Kommission überlassen, ob sie Vorschläge des Weißbuchs aufgreift.
Die ANGA wird sich in den Konsultationsprozess einbringen und das Thema natürlich auch in der kommenden EU-Legislatur eng begleiten.